Polo gilt als "Sport der
Könige". Tatsächlich betreiben das Spiel auch Menschen, die nicht dem Haus
Windsor angehören. Aber wer in Deutschland Profi werden will, sollte schon aus
der richtigen Familie stammen.
Es staubt, wenn die Pferde über
die Trainingsbahn galoppieren. Dahinter grüne Wiesen und weiße Zäune, Vögel
zwitschern, die Sonne sticht vom Himmel, spanische Sätze fliegen hin und her. Es
ist heiß. Reiterromantik in Argentinien? Nein, Polo in Schleswig-Holstein.
Polo? Das klingt auf den ersten
Blick nach britischer Königsfamilie, am Spielfeldrand teure Autos und mondänes
Publikum. Ein Elitensport. "Polo steht immer nur für Champagner und
Hüte", sagt Christopher Kirsch. Das werde dem Sport so nicht gerecht:
"Das Image vom Polo ist auch völlig verkehrt."
Kirsch ist der zweitbeste deutsche Polospieler. Das erkennt man an
seinem Handicap von +3. Dieser von einer Kommission zugeteilte
Leistungsindikator wird hierzulande nur von Thomas Winter übertroffen, der als
einziger deutscher Spieler derzeit +4 erreicht. Kirsch arbeitet als Trainer auf
Gut Aspern, 30 Autominuten von Hamburg entfernt, und richtet seit acht Jahren
die "German Polo Tour" aus, eine Turnierserie, die in der mittleren
und höchsten Spielklasse, dem High Goal, ausgetragen wird.
400 aktive Spieler in Deutschland
Polo ist in Deutschland eine Randsportart. 33 Klubs sind Mitglied im
Deutschen Polo Verband (DPV). Rund 400 aktive Spieler gibt es. Hinzu kommen
noch Reiter, die Polo in ihrer Freizeit betreiben. "In den letzten Jahren
ist die Zahl der aktiven Polospieler in Deutschland deutlich gestiegen. Innerhalb
von fünf Jahren sind rund 100 neue Spieler hinzugekommen", sagt Bernhard
Willroth vom DPV. Allein: Von den
geschätzten 3,9 Millionen Reitern in Deutschland sind sie nur ein
sehr kleiner Teil.
Auch sportlich kann Deutschland auf internationaler Ebene nicht
konkurrieren, obwohl sich mit dem 1898 gegründeten "Hamburger Polo
Club" der älteste Polo-Klub des europäischen Kontinents im Land befindet. England,
die USA sowie die südamerikanischen Staaten dominieren den Sport - allen voran
Argentinien.
Das hat historische Gründe: Die
in den Kolonien stationierten britischen Offiziere brachten das Spiel 1859
zunächst nach England. Auch Argentinien erreichte Polo wenige Jahre später
durch einen Engländer. Dort entwickelte es sich auf den Rinderfarmen zum
Volkssport. Das Land gewann fünfmal den Weltmeistertitel und verfügt über
zahlreiche Spitzenspieler, darunter Adolfo Cambiaso mit dem höchsten Handicap
+10.
Mate statt Champagner
Auch auf Gut Aspern spielt Argentinien eine große Rolle. Kirsch
verbringt viel Zeit in dem Land, argentinische Spieler wohnen zeitweise auf
seinem Hof - so wie Patricio Lalor, der in Kirschs Team bei der "German
Polo Tour" dabei ist und einer bekannten argentinischen Polo-Familie
entstammt. Das Polopferd, das "Polo Argentino", ist ohnehin aus
argentinischer Zucht.
Fotostrecke
Trainiert werden die über 40
Pferde auf Gut Aspern von argentinischen Pferdepflegern. Statt Champagner wird
heißer Mate-Tee getrunken. Die Tiere dösen im kühlen Stall oder auf der Weide. Die
Atmosphäre ist locker und entspannt. Ist Polo etwa ein Sport zum Anfassen, wie
Kirsch sagt, die Vorstellung vom Elitensport nur ein Klischee?
Billig ist Polo jedenfalls nicht, wenn es als Leistungssport betrieben
wird. Reitsport ist generell nicht kostengünstig. Kirsch sagt: "Für
gut ausgebildete Pferde, mit denen man Turniere in der niedrigsten Spielklasse
spielen kann, muss man mit 10.000 bis 15.000 Euro rechnen. Im Medium Goal sind
es bis 20.000 Euro und im High Goal um die 25.000 Euro. In dieser Klasse sind
aber weniger Grenzen nach oben gesetzt. In anderen Ländern kann es da schon bis
100.000 Euro gehen. Insgesamt ist das Polo-Pferd in der Anschaffung günstiger
als zum Beispiel ein Springpferd."
Der Trainingspartner Pferd will
zudem ausgebildet und artgerecht gehalten werden. Ausrüstung für Reiter und
Pferd, Tierarzt- und Transportkosten tun ihr Übriges. In der Disziplin Polo
kommt hinzu, dass eine Partie aus vier Spielzeiten, so genannten Chukkas,
besteht. Aus Tierschutzgründen darf ein Pferd niemals zwei Chukkas
hintereinander geritten werden, so dass pro Reiter mindestens zwei Tiere pro
Spiel nötig sind.
Bälle mit 200 km/h Topspeed
Darüber hinaus ist Polo ein Mannschaftssport - und ein schneller dazu. Auf
der Jagd nach dem Ball beschleunigen die Tiere auf bis zu 60 Stundenkilometer,
der Ball kann eine Geschwindigkeit von 200 Stundenkilometern erreichen und 120 Meter weit fliegen. Ein
Poloplatz ist daher rund sechsmal so groß wie ein Fußballfeld. 16 LKW-Ladungen
Sand bestellt Kirsch jedes Jahr für seine beiden Plätze, um die Gelenke der
Pferde zu schonen.
Nach der rund dreijährigen
Ausbildung müssen Polopferde regelmäßig trainiert werden, um den Ansprüchen des
Sports standzuhalten. Auch wenn ihre Besitzer keine Zeit haben. Die Klubs
beschäftigen dazu Pferdepfleger, die auch beim schnellen Pferdewechsel während
der Spiele helfen. Kirschs Tiere erhalten täglich zwei Stunden
Konditionstraining, hinzu kommt die Spielpraxis. Montags ist frei.
"Natürlich kann man den
Sport als Hobby betreiben, das Polopferd ist sehr vielseitig. Man kann auch
erste Turniere reiten oder das Spiel erst einmal auf fremden Pferden
ausprobieren", sagt Kirsch: "Aber wenn ich Ambitionen habe und
Leistungssport betreiben will, ist es ganz klar eine kostspielige
Angelegenheit."
Der Sport fordert viel von Reiter und Pferd: Die Tiere müssen wendig,
sprint- und nervenstark sein und lernen während der Ausbildung, ein
Spielverständnis zu entwickeln. Die Reiter müssen nicht nur fest im
Sattel sitzen, sondern auch über eine hohe Körperbeherrschung verfügen, um den
kleinen Ball aus vollem Galopp zu treffen und dabei weder Pferd noch Mitspieler
zu verletzen. Wie im Fußball gilt es darüber hinaus, ein Auge für die
Mitspieler zu haben: Es gibt pro Team Angreifer, Verteidiger und Spielmacher. Taktik
spielt eine große Rolle, um die meisten Tore zu erzielen.
Polo ist Familiensport - so oder so
"Wenn ich richtig spielen will, brauche ich schon drei bis vier
Pferde, fünf bis sechs im High Goal und auf internationaler Ebene mindestens
acht", sagt Kirsch: "Da benötigt man natürlich Unterstützung von
Sponsoren oder der Familie, die einem gute Tiere zur Verfügung stellen." Leben
könne man als Spieler allein vom Polosport übrigens weder in Deutschland noch
in Argentinien. Preisgelder gebe es nicht. Längere Unterbrechungen durch
Studium oder Beruf vertrügen sich - wie in jeder anderen Disziplin auch -
ebenfalls nicht mit dem Anspruch, Leistungssport zu betreiben.
Und so ist der Nischensport Polo trotz aller Offenheit dann oft doch eine
Frage der Familie. "Spieler, die international in höheren Spielklassen
spielen, sind meistens die Söhne von Polospielern. Unter den Spielern in
Deutschland mit Handicap +3 und +4 ist keiner dabei, der keinen Polohintergrund
hat", sagt Kirsch. Er fügt hinzu: "Wenn es nicht in irgendeiner Form
von der Familie mit protegiert wird, reißt die Entwicklung von
Nachwuchsspielern zum Beispiel während des Studiums oft wieder ab, was sehr
schade ist."
Immerhin: In Aspern gibt es die Möglichkeit, den Sport kennenzulernen. Kosten
für Erwachsene? 1100 Euro für zehn Trainingseinheiten auf den ausgebildeten
Tieren des Klubs. Auch Thomas Winter bietet in seiner Hamburger Polo-Schule
Unterricht an. Die Preise sind vergleichbar mit entsprechendem Einzelunterricht
im Spring- und Dressurreiten. Diese Sportarten kann man ebenfalls nicht mit
jedem finanziellen Hintergrund betreiben. Das ist, bei aller Lockerheit der
argentinischen Pferdepfleger, auch ein Teil der Wahrheit über Polo.
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